Aus dem Archiv … Erhitzung mittels Pasteurisation infolge aw-Wertsenkung
(KIN-Mitteilungen, Nr. 127 aus Oktober 1978)
Da das Thema etwas komplexer ist, ist es wichtig Lebensmittel nach pH-Bereichen einzuteilen, da die Höhe des pH-Wertes einen entscheidenden Anteil an der Haltbarkeit von Produkten hat.
Solange Sie ihre Produkte in der gemäßigten Klimazone, geographisch zwischen dem Nordpol und den Alpen anbieten, so ist die Pasteurisation für nicht gekühlte Güter in Abhängigkeit eines pH-Wertes < 4,5, eine hervorragende Möglichkeit Lebensmittel mit schonender Hitze < 100°C haltbar zu halten. Die Produktqualität kann damit auf einem hohen Niveau gehalten werden. Das setzt allerdings auch voraus, dass die Produkte bei Raumtemperatur von 20°C (oder kühler) gelagert werden.
Die Einschränkung der Lagertemperatur in Kombination mit einem pH-Wert < 4,5 bezieht sich wiederum auf die Unterbindung von mikrobiologischen Aktivitäten, die bei höheren Temperaturen stärker ausfallen und den Verderb der Produkte beschleunigen. Bei Produkten, die grundsätzlich gekühlt (bei 6-10°C) gelagert werden, unterstützt ein niedriger pH-Wert erheblich die Verlängerung der Mindesthaltbarkeit. Ergo: saure Bedingungen finden Mikroorganismen nicht so toll.
Die Haltbarkeit von Lebensmitteln ist also pH-Wert abhängig, wird aber auch u.a. beeinflusst durch Zucker, Salz und Nitritgehalt sowie den aw-Wert.
Die Wasseraktivität von Lebensmitteln, ausgedrückt durch den aw-Wert, ist mindestens genauso wichtig und auch unterschätzt, obwohl wir alle wissen sollten, dass das Vorhandensein von Wasser „Leben“ ermöglicht. Das bedeutet mikrobiologisch, wo viel Wasser ist, ist auch die mikrobiologische Aktivität hoch.
Die Wasseraktivität ist vereinfacht ausgedrückt die Menge an freiem, nicht gebundenem Wasser, dass Mikroorganismen zur Lebensgrundlage zur Verfügung steht. Physikalisch ist es der Quotient zwischen dem Dampfdruck des Wassers im Lebensmittel bzw. in der Umgebungsatmosphäre und dem Sättigungsdruck des reinen Wassers bei gleicher Temperatur.
Der Wert wird zwischen 0 (staubtrocken) und 1 (Wasser) wiedergegeben.
Um die Extreme deutlicher zu machen, ist der Vergleich zwischen Keksen und Obst dienlich. Frisches Obst (reich an Wasser) hat einen aw-Wert von 0,97, Kekse von 0,1, sind also (sprichwörtlich) knochentrocken. Der Apfel ist bei Raumtemperatur nur wenige Wochen lagerfähig, Kekse im Prinzip unendlich.
Die überwiegende Anzahl der von uns konsumierten Lebensmittel bewegen sich zwischen aw-Werten zwischen 1,0 und 0,96 (wie Obst, Gemüse, Fruchtsäfte, Eier, Fleisch, Käse und Brot). Dann gibt es Lebensmittel bei denen seit Generationen der Mensch erkannt hat, durch welche Maßnahmen oder Verfahren er in der Lage ist den aw-Wert zu senken bzw. die Haltbarkeit zu verlängern. Dazu gehören eindeutig Konfitüre (aw-Wert Senkung durch Einsatz von Zucker; wasserbindend)), Trockenfrüchte (aw-Wert Senkung durch trocknen), luftgetrocknete Fleisch- und Fischwaren, häufig zusätzlich gesalzen (Salz ist stark hygroskopisch, bindet also Feuchtigkeit) und ggf. heiß geräuchert (aw-Wert Senkung durch trocknen) und Dauerbackwaren (trocknen).
Die Natur ist jedoch vielfältig unterwegs und so gibt es auch Mikroorganismen, die bei geringeren aw-Werten noch lebens- und vermehrungsfähig sind. Bei einem aw-Wert von < 0,82 sind die Bedingungen hinsichtlich von freiem Wasser so schlecht, dass nur noch wenige Mikroorganismen sich vermehren können und zu einem Verderb führen.
Kombiniert man einen niedrigen aw-Wert nun mit einem pH-Wert von < 4,5 erzielt man eine zusätzliche Hürde, die für Mikroorganismen die Bedingungen verschlechtert. So ist auch eine geringe Lagertemperatur eine weitere Hürde in der Vermehrung. Die Kombination von Verfahren sorgt also für Synergien, die besonders in der Produktentwicklung Anwendung finden (müssen). Durch angepasste Verwendung der Inhaltsstoffe kann der aw-Wert gesenkt werden, auch Fett z.B. in Fleischwaren senkt den aw-Wert und verlängert die Haltbarkeit. Dieser Effekt ist übrigens bei 80%iger Mayonaise hervorragend zu sehen. Das Produkt lebt von einer Wasser-in-Öl-Emulsion mit 80% Fett, in der das wenige Wasser gebunden ist und nicht frei zur Verfügung steht. Der zusätzliche geringe pH-Wert von < 3,4 sorgt für zusätzlich schlechte Lebensbedingungen für Mikroorganismen. Ein mikrobieller Verderb bei Lagerung bei 20°C ist damit auszuschließen.
Lesen Sie hier den Original-Text und die 1978 abgeleiteten Verhältnisse für Fleischerzeugnisse.
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