Wer entscheidet eigentlich, ob Fleisch schon stinkt oder noch für die Verarbeitung zu Wurstwaren und zur direkten Weitergabe an den Verbraucher verwendet werden kann? Ist ein säuerlicher Geruch typisch für Fleischprodukte oder schon ein Hinweis auf Verderb?
Dass Lebensmittel chemisch und mikrobiologisch regelmäßig untersucht werden müssen, um den Verbraucher vor Täuschung und Krankheitserregern zu schützen, das ist in rechtlich verbindlichen Verordnungen für Inverkehrbringer von Lebensmitteln verpflichtend. Aber was können sensorische Prüfverfahren eigentlich leisten?
Dazu muss unterschieden werden, dass der Begriff „Sensorik“ sowohl im Kontext mit technischen Sensoren aber auch mit den menschlichen Sinnen verwendet wird.
Im technischen Zusammenhang können Messfühler zum Beispiel bestimmte Substanzen detektieren, die auf Abweichungen vom Standard hinweisen können. Beim Abbau von Lebensmittelinhaltsstoffen können Verbindungen entstehen, die aromatisch wirksam sind und zu unangenehmen Geruchseindrücken führen. Die chemischen Moleküle können über darauf programmierte Sensoren „eingefangen“ und mittels darauf abgestimmter analytischer Verfahren qualitativ und gegebenenfalls quantitativ ermittelt werden. Diese Untersuchungsmethodik bedeutet aber auch, dass immer nur auf die spezifisch im Messgerät kalibrierte Substanzen untersucht werden kann. Wenn ein anderes Abbauprodukt entsteht, das der Sensor nicht messen kann, könnte dieses zu einer auf nicht ausreichend Informationen basierten Freigabe des Lebensmittels im Produktionsprozess führen, wenn nicht andere Absicherungsmaßnahmen für die Lebensmittelsicherheit getroffen werden.
Nach wie vor sind die menschlichen Sinne zur Überprüfung und Beurteilung der sensorischen Verkehrsfähigkeit und Haltbarkeit als Teil der Qualitätskontrolle nicht wegzudenken. Über die Sinneseindrücke zu Aussehen, Geruch, Geschmack und Konsistenz gepaart mit positiven wie auch negativen Erfahrungswerten bei der Aufnahme von Nahrungsmitteln entsteht die Entscheidungsgrundlage, ob ein Produkt noch verzehrfähig ist. Teils ist eine Vorliebe für Süßes angeboren, teils sind es auch erlernte Präferenzen für bestimmte Geruchs- und Geschmackseindrücke, die die Bewertungsfähigkeit der menschlichen Sinnesorgane ausmachen. Eine gewisse Grundvoraussetzung für das Geschmacksempfinden wird über die Gene vererbt. Darüber hinaus entwickelt sich der Geschmack im Laufe des Lebens u.a. über die Gewöhnung im kulturellen und sozialen Lebensumfeld. Je nach Land und ethnischer Herkunft kann es sein, dass eine stark säuerliche Geruchsausprägung bei Fleisch ausdrücklich gewünscht ist, während es in anderen Ländern bereits ein Hinweis auf erste Verderbnisprozesse ist und somit zur Ablehnung führt. Die Nase spielt in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle und dient als warnendes System vor dem Verzehr verdorbener Lebensmittel. Die Fähigkeit, verschiedenste Geruchseindrücke zu unterscheiden und zu benennen, ist trainierbar und erfolgt über die Wiedererkennung von Geruchsmustern, die sich im Gedächtnis einprägen.
Personen, die empfindlich auf bestimmte Geruchs- und Geschmackseindrücke sind, können für die Beurteilung der Verkehrsfähigkeit von Nahrungsmitteln eingesetzt werden. Zur Schulung der Sinne sind im Vorfeld die Voraussetzungen von Prüfpersonen, bestimmte Sinneseindrücke zu erkennen zu überprüfen. Säuglinge haben zum Beispiel noch deutlich mehr Geschmackspapillen, was zu intensiveren Geschmackserlebnissen führt. Mit zunehmendem Alter reduzieren sich die Papillen, so dass ältere Menschen weniger intensiv schmecken und beispielsweise deutlich würziger essen. Es gilt bei der Schulung der Sinne zunächst herauszufinden, ob die Prüfperson überhaupt physiologisch aufgrund der genetischen Voraussetzungen geeignet ist, bestimmte Abweichungen und Fehlgerüche zu erkennen. Dies kann mit Hilfe von Referenzsubstanzen, standardisiert hergestellten Proben oder auch an bestehenden Produkten mit Fehlaromen herausgefunden werden, allerdings gibt es auch Anomalien, die es aufzudecken gilt, bevor eine Prüfperson für bestimmte sensorische Fragestellungen eingesetzt wird. Prüfpersonen mit einer Rot-Grün-Schwäche können gegebenenfalls keine grünlichen Veränderungen bei rötlichen Fleischprodukten erkennen, die aber auf einen Produktfehler hinweisen könnten. Ebenso gibt es zum Beispiel besonders bitterempfindliche und bitterunempfindliche Menschen. Bittere Geschmackssubstanzen können z.B. beim Abbau von Proteinen und somit im Verlauf des Verderbnisprozesses entstehen und würden von besonders bitterempfindlichen Personen im Lagerverlauf früher erkannt werden.
Da auch die menschlichen Sinnesorgane einem Wandel unterliegen, ist es wichtig, regelmäßig die Erkennungs- und Unterscheidungsfähigkeit der sensorischen Prüfpersonen, die zu einer sensorischen Beurteilung hinzugezogen werden, zu überprüfen und durch Schulungen aufrecht zu halten.
Während der Lagerung von rohem Fleisch entstehen in kürzester Zeit olfaktorisch wirksame Abbauprodukte durch Verwesungsprozesse, aber auch durch das Wachstum von Mikroorganismen.
An dem Verbund-Projekt „Precise“ in Zusammenarbeit mit der Syddansk Universitet, Sønderborg, AmiNIC Aps, der Hochschule Lübeck, der Hochschule Flensburg und dem Fraunhofer Institut ISIC, ist das Lebensmittelinstitut KIN e.V. beteiligt, um einen Sensor auf seine Funktionalität in Bezug auf die Detektion von Cadaverin, dem sogenannten „Leichengeruch“, der bei der Verwesung von rohem Fleisch entsteht, für die Anwendung z.B. an Fleischtheken oder im fleischverarbeitenden Betrieb zu überprüfen. Dazu wurde am KIN eine Prüfergruppe zur Bewertung dieses Verderbnisgeruchs aufgebaut. Die sensorischen Eindrücke werden durch die Prüfpersonen mittels Bewertung der geruchlichen Abweichungen eingestuft und mit den Ergebnissen der mikrobiologischen, chemischen und der Untersuchungen mittels des neu entwickelten Sensors abgeglichen, um eine Aussage treffen zu können, ob die Messergebnisse des Sensors verlässlich sind.
Sie möchten sensorische Prüfpersonen in Ihrem Unternehmen schulen und methodisch aufbauen? Sprechen Sie uns an. Wir stellen Ihnen gern ein auf Ihre Fragestellungen zugeschnittenes Firmentraining zusammen.
Rufen Sie gerne hierzu in der Akademie Frau Eike Hehnen an oder schreiben Sie ihr eine E-Mail:
Fon: 04321-601-23
E-Mail: hehnen@kin.de
Wir freuen uns auf Ihre Anfrage!